Ein Lehrer ohne Schule: Unterricht aus der Ferne, Demut und tolle Schüler

Wenn er die Klassentüre öffnet und von leuchtenden Kinderaugen empfangen wird, dann beginnt für Bernhard-Huber Rieder der Arbeitsalltag. Normalerweise. Aktuell muss der Volksschullehrer aus Berndorf auf „seine“ Kinder verzichten, er vermisst sie. Bernhard erzählt uns vom Unterricht aus der Ferne, von der Begeisterungsfähigkeit seiner Schüler und auch von seinen Gedanken in dieser schwierigen Zeit.

Der Arbeitsalltag hat sich für unsere Lehrer ordentlich verändert. Gerade für sie ist „Home Office“ eine besondere Herausforderung, ist das doch das absolute Gegenteil von dem, was sie sonst machen. Schulstunden gibt es im Moment keine, allerdings eine Art Journaldienst, wofür eine Lehrperson pro Tag bereitstehen muss, sollten Eltern die Betreuung durch die Schule in Anspruch nehmen. Grundsätzlich sind die Volksschulkinder aber alle zu Hause und versuchen, das Lernpensum umzusetzen, die Eltern sind dazu angehalten, den Vormittag schulähnlich zu gestalten. „ Sollte einmal ein Kind etwas später aus dem Bett hüpfen und dafür ein paar Minuten hinten dran hängen, ist das jedem völlig freigegeben“, sagt der Lehrer. Auch er selbst widmet seine Zeit dem Unterricht, nur eben alleine. Seine Arbeit ist im Moment das Korrigieren, das Erarbeiten neuer Unterlagen und der Austausch mit den Eltern seiner Schüler. Diese sind zwischen acht und zehn Jahren alt. An ihnen hat er Bemerkenswertes festgestellt: „Meine Schüler sind alle füreinander da und leben Nächstenliebe mehr, als ich das jemals zuvor gesehen und für möglich gehalten habe.“

Für Volksschulkinder ist der Schwerpunkt nicht auf dem online Unterricht, über die Lern-App „Anton“ bekommen sie aber digitale Unterlagen, die sie zu Hause bearbeiten können. „Diese App ist an den Lehrplan angepasst und bietet über 1.000 Übungen, Lernspiele und interaktive Aufgaben. Dazu arbeiten wir mit unseren Schulbüchern, Arbeitsblättern und Übungen“, erzählt der Volksschullehrer.

„Viele denken, der Mensch wäre so intelligent, stark, mächtig und unverwundbar, dass er die Welt ohne Weiteres beherrschen könne. Dass dem nicht so ist, wurde uns jetzt mit voller Wucht vor Augen geführt.“

In den nächsten Tagen plant er ein erstes Skype-Treffen mit der Klasse. „Dadurch, dass alle meine Kinder sehr strebsam sind und es im Volkschulalter eher noch vertretbar ist, bereits Erlerntes mithilfe der Eltern zu festigen, habe ich relativ wenig Bedenken, dass die Schüler durch diese Situation viel versäumen. Aber nichts desto trotz sehne ich den Face-to-face-Unterricht mit den Kindern natürlich schon wieder herbei.“ Auf diese Art der Tätigkeit hat er sich natürlich überhaupt nicht vorbereiten können, auch nicht, auf eventuelle Lagerkoller der Kinder. „Diese Herausforderung werden wir Lehrer gemeinsam mit den Eltern meistern.“

Seine Zeit, die er nicht mit schulischen Belangen füllt, verbringt Bernhard in der Natur. Er geht mit offenen Augen über den Haunsberg und holt sich Input, möchte das Beste aus der aktuellen Situation machen. In seinem Fall ist das zum Beispiel, die kleinen, vermeintlich schon selbstverständlichen Dinge wieder mehr zu würdigen. „Viele denken, der Mensch wäre ohnehin so intelligent, stark, mächtig und unverwundbar, dass er die Welt ohne Weiteres beherrschen könne. Dass dem nicht so ist, wurde uns jetzt mit voller Wucht vor Augen geführt.

Wir sehen uns selbst gerne als Mittelpunkt des Geschehens und jetzt kommt eines der allerkleinsten Lebewesen in Form eines Virus daher und bringt die vermeintliche Vormachstellung der Weltordnung ins Wanken. Das Rad dreht sich immer noch schneller mit noch kürzeren Pausen und vermeintlich noch mehr Stress für alle Beteiligten. Wir tendieren zu dem Irrglauben alles zu können und wissen, unersetzbar zu sein und werden dabei hochmütig. Und genau dieser Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Doch die Frage ist, ob wir daraus etwas lernen werden oder ob die Gier nach materiellem Mehrwert und dem ICH doch größer sein wird? Ich für meinen Teil versuche aus dieser Zeit mitzunehmen demütig zu bleiben und mir die „kleinen“, besonderen Momente in meinem Schulalltag noch öfter vor Augen zu führen: das Öffnen der Schultüre und die Empfangnahme durch leuchtende Kinderaugen, begeisterungsfähige, wohlerzogene und kurzum die tollsten Schüler!“

Dieser leidenschaftliche Lehrer hat den Mut nicht verloren und freut sich auf seine Schüler, auf wertvolle Gespräche mit seinen Kollegen und auch auf das eine oder andere Feierabendbier mit dem Schulwart…